Schweizer Gletscher
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Sie sind schön, imponierend und emblematisch. Und sie sind immens wichtig. Angesichts der unaufhaltbaren Gletscherschmelze müssen wir unseren Umgang mit Wasser überdenken.
Vor rund 24'000 Jahren war der grösste Teil der Schweiz mit Eis bedeckt. Gigantische Eiskappen überzogen das Land und verzweigten sich in unzähligen Gletscherzungen. Trotz einiger Auf und Abs hat sich die Erde seither insgesamt erwärmt. Die Eiskuppeln sind geschmolzen und haben Gletschertäler freigegeben, in denen sich der Mensch niederliess.
Über unseren Köpfen gibt es noch gut Tausend Gletscher. Sie und die untrennbar mit ihnen verbundenen Berge bilden die Seele der Schweiz. Sie sind die Hüter eines uralten Tempels, den wir in Gedanken in einer idealen Momentaufnahme für immer einfrieren möchten. Doch die Natur, mit der ungebetenen Hilfe der Menschen und ihrer CO2-erzeugenden Aktivitäten, hat anderes vor.
Die Gletscher schmelzen weg
1880 wurde als eine der ersten Institutionen für Gletschermessungen das schweizerische Gletschermessnetz GLAMOS ins Leben gerufen. Anhand der Jahresbilanzen kann die Entwicklung des ewigen Eises in der Schweiz präzise gemessen werden. Die Erkenntnisse sind alarmierend: Seit Ende der kleinen Eiszeit um das Jahr 1850 ist die Hälfte der Gletscherfläche der Schweiz geschmolzen. Sie umfasst heute keine 900 km2 mehr. Auch das Eisvolumen geht dramatisch zurück. 1920 betrug es 104 km3, heute nur noch 53 km3. Seit rund zehn Jahren beschleunigt sich der Gletscherschwund zusehends. Pro Jahr lösen sich fast 1 km³ Eis in Wasser auf. 2017 schmolz das Eis noch schneller. Durch den heissen Sommer verflüchtigten sich 1,5 km3, d.h. die Eisdecke nahm zwei Meter ab. Ein solches Tempo wurde letztmals während der Hitzewellen von 1947 und 2003 verzeichnet.
Lange Zeit verlief der Gletscherschwund nicht linear. Je nach Temperatur und Schneefall nahm die Eismasse zu oder ab. Seit Mitte der 1980er-Jahre zeigt der Trend aber nur noch in eine Richtung: Die Gletscher gehen zurück. Nur diejenigen, die oberhalb von 4000 Metern liegen, wie der Corbassièregletscher oder der Grenzgletscher, leisten noch Widerstand. Darunter ist die Situation katastrophal. „Die Gletscher unterhalb von 3500 Metern sind nicht mehr zu retten. Sie werden bald verschwunden sein“, sagt ETH-Professor und Glaziologe Martin Funk. Sein Kollege Matthias Huss ergänzt: „Alle Gletscher im Schweizer Nationalpark sind bereits komplett geschmolzen.“(...)
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