Riga Viel Neues im Osten
Auch die jungen Letten können es kaum nachvollziehen: Ihre Eltern waren sowjetische Staatsbürger. Eine Generation später spricht die Landeshauptstadt Englisch und ist in Europa angekommen. Riga ist eine schöne Unbekannte, die den Retro Vibe zelebriert, gleichzeitig nach Modernität lechzt und zwischen deutschen, skandinavischen und slawischen Einflüssen ihre Identität sucht.
Europa hat viele Grenzen, Lettland ist hingegen eher ein Knotenpunkt. Es wurde im Mittelalter von teutonischen Rittern erobert, in den darauffolgenden Jahrhunderten zunächst von den Polen, dann von den Schweden vereinnahmt, geriet zunehmend unter sowjetischen Einfluss und wurde schliesslich von den Russen annektiert. Die Sprache, die Architektur und nicht zuletzt die Vorliebe der Einheimischen für Bier und Wodka zeugen noch immer von dieser bewegten Vergangenheit. Auch die Hauptstadt Riga ist ein kultureller Meltingpot.
Die Sehenswürdigkeiten der Stadt erstrahlen im oft sonnigen Wetter in ihrer ganzen Pracht. Von der Aussichtsplattform der Petrikirche hat man einen schönen Überblick über die Barocktürme der mittelalterlichen Altstadt, die hanseatisch anmutenden Lagerhäuser aus rotem Backstein und die pastellfarbenen Fassaden an gepflasterten Plätzen und Strassen. Einen Steinwurf entfernt steht auf dem Rathausplatz eines der bekanntesten Wahrzeichen: das Melngalvju nams oder Schwarzhäupterhaus. Es ist im Stil der flämischen Renaissance gehalten. Bunte Reliefs, Goldverzierungen und Skulpturen schmücken den roten Backsteinbau aus dem Jahr 1334.
Jugendstilschätze
Mit wenigen Schritten erreicht man das Ufer der breiten Düna. Es liegt im Juni und Juli bis in die späten Abendstunden in der Sonne. Auf der gegenüberliegenden Seite des Stroms befindet sich der alte Stadtkern. Er wurde zwischen die sanften Biegungen des Pilsetas-Kanals gebaut, der sich durch mehrere Parks und Gärten schlängelt. Boote dümpeln auf dem Wasser im Angesicht der nicht so neuen Neustadt. Das Viertel profitierte in den Jahren um 1900 vom Wirtschaftsaufschwung des Landes. Aus dieser Zeit stammen Hunderte verschörkelte Häuser mit Masken, Maskaronen, Karyatiden, Ornamenten, Steinblumen und Wasserspeiern. In der Alberta iela (iela = Strasse) tragen viele die Handschrift von Michail Eisenstein, dem Vater des russischen Filmemachers Sergei Eisenstein und Regisseur von Panzerkreuzer Potemkin. Europas grösster Ansammlung von Jugendstilarchitektur verdankt Riga auch die Aufnahme ins Weltkulturerbe. (...)
Um weiterzulesen, bitte abonnieren Sie !

