Kilian Jornet
«Eigentlich wollte ich nur die Bergseen zählen!»
Der spanische Extrembergläufer hat für 30° darüber sinniert, woher seine unersättliche und tief verwurzelte Bulimie nach immer neuen alpinen Bestleistungen rührt. Wenige Tage später pulverisierte er den Rekord des Sierre-Zinal-Rennens.
16 Jahre hatte der Rekord gehalten. Am 11. August unterbot ihn Kilian Jornet um fast vier Minuten und sicherte sich damit seinen siebten Sieg am Sierre-Zinal-Rennen. Mit nur 31 Jahren hat Kilian Jornet schon fast alles gewonnen, vieles davon mehrfach. Er macht vor nichts Halt, weder vor den extremsten Trails noch vor den härtesten Skitouren. Parallel dazu hakt der Katalane seit 2012 auf seiner Liste der «Summits of my life» einen Gipfel nach dem anderen ab. Sein Plan ist völlig verrückt: Er will die höchsten Berge der sieben Kontinente in Rekordzeit besteigen. Im Mai 2017 sah die Welt ungläubig zu, wie er innerhalb einer Woche zweimal in Bestzeit den Everest bezwang.
Kilian Jornets Physiologie grenzt ans Übermenschliche. Seine maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit (VO2) ist doppelt so hoch wie die von Normalsterblichen. Er trainiert aber auch jeden Morgen drei bis fünf Stunden und legt nachmittags nochmals ein bis zwei Stunden nach. Aber was treibt ihn eigentlich an? Mit dieser Frage haben wir ihn konfrontiert, als er sich für einen Vortrag in Lausanne aufhielt.
In die Wiege gelegt
Kilian Jornet ist oft auf der Überholspur unterwegs, denkt aber ruhig und besonnen über das Leben nach. «Ich hatte das Glück, in einem Land geboren zu werden, in dem die Grundbedürfnisse gedeckt sind und man den Luxus geniesst, sein Leben selbst bestimmen zu können», sagt er. «Meine Eltern waren Hüttenwärter. Mein Vater arbeitete als Bergführer, meine Mutter war Lehrerin und begeisterte Langstreckenläuferin. Mit drei Jahren bestieg ich mit ihnen meinen ersten Dreitausender, mit vier folgte mit dem Breithorn mein erster Viertausender. Wir haben in all unseren Ferien solche Abenteuer unternommen.» Kein Zweifel: Die Kindheit in den Bergen hat ihn entscheidend geprägt.
Schon sehr früh absolvierte er sein Lauftraining in den Bergen, «auch und vor allem, um in der Natur zu sein». Es sei nicht so sehr die körperliche Anstrengung, sondern der tägliche Kontakt mit den Bergen, der ihn motiviere. «Sport war zunächst nur ein Mittel zum Zweck. Ich wollte draussen sein und konnte so meine Energie ausleben.» Wenn man den kleinen Kilian fragte, was er später einmal werden wolle, antwortete er systematisch: «Ich will die Bergseen zählen!» (...)
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