Kai Lenny

Ausnahmesurfer

Text
Laurent Grabet
Copyright
Brian Bielmann
Erscheinungstermin
10.05.2016
Kai Lenny

„Surfen ist ähnlich wie die Mafia, wenn man einmal den kleinen Zeh drin hat, kommt man nicht mehr weg. Es ist wie eine Sucht, die sofort greift.“ Kai Lenny erinnert sich noch gut: Er hat sich im Alter von vier Jahren „mit dem Virus angesteckt“, wie er sagt. Vielleicht war sein Name ja ein Omen: Er bedeutet nämlich „Ozean“ auf Hawaiianisch. Zwanzig Jahre später sitzt der siebenfache Weltmeister im Stand-up-Paddling (SUP) in der Pariser Filiale von Tag Heuer und erzählt trotz 12-Stunden-Jetlag gut gelaunt aus seinem Leben.

Frühe Berufung

Schauplatz seiner weichenstellenden Erfahrung war der Thousand-Peaks-Strand auf der Insel Maui. Dort hatten ihn seine Eltern mit einem Brett im warmen Sand gelassen, um sich in den Wellen auszutoben. Kai konnte schwimmen, aber noch nicht surfen – das glaubte er zumindest. „Plötzlich sah ich eine gut 1,5 Meter hohe Welle, die mich magisch anzog. Ich paddelte auf dem Board bis zur Welle und stand auf. Ich werde mich mein Leben lang an das Kribbeln und das Feeling erinnern. Es gab mir das Gefühl, als würde ich in eine andere Welt eintauchen. An diesem Tag wusste ich, dass ich Surfer werden würde.“

Er hielt Wort. Von diesem Tag an galt Kais einziges Interesse dem Wellenreiten. Er ging vor und direkt nach der Schule zum Surfen, oft unter Aufsicht seiner „Helden“, „Mentoren“ oder „Onkel“, wie er sie wahlweise zu bezeichnen pflegt. Gemeint sind seine Nachbarn und Surfstars Robby Naish, Dave Kalama, Buzzy Berbox und Laird Hamilton. Letzterem verdankt Kai seine sportliche Vielseitigkeit: Als Sechsjähriger begann er mit Windsurfen, mit sieben stand er auf dem SUP und mit neun auf dem Kitesurf. Heute gehört er in allen vier Disziplinen zur Weltelite. Schwarzmaler versuchten ihm zwar einzutrichtern, er könne nicht überall an der Spitze mitmischen, doch Kai schenkte ihnen kein Gehör. „Warum hätte ich mich für nur eine Sportart entscheiden sollen, wo doch alle fun sind und sich in Maui perfekt ausüben lassen.“ Eine Antwort auf diese rhetorische Frage bleibt er wohl niemandem schuldig, heute lebt Kai nämlich (sehr gut) von seinem Können – Sponsoren wie Nike, Red Bull oder Tag Heuer sei Dank.

Botschafter des Aloha Spirits und von Tag Heuer

Seine Popularität hat allerdings nicht nur positive Seiten. „Oft bin ich in einer Stadt, gebe ein Interview nach dem nächsten, während bei mir zuhause grosse Wellen anrollen ! Das ist ziemlich paradox... und manchmal etwas ärgerlich“, gesteht Kai und lässt grinsend seine Muskeln spielen, um seinen Worten etwas den Ernst zu nehmen. Der Hawaiianer ist ein Profi. Er findet sich in den verschiedenen Welten genauso gut zurecht wie auf den Wellen und posiert für den Fotografen mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der er einen Back Flip springt.

Fast entschuldigend erklärt er, dass er zwei Lebensphilosophien vertritt : den hawaiianischen Aloha Spirit mit der sprichwörtlichen Gutmütigkeit und Nächstenliebe, und den American way of life mit der bejahenden und unbeschwerten Lebenseinstellung dank der er „jeden Tag so lebt, als wäre es der letzte und nie etwas bereut“. „Nie !“, wiederholt er mit Nachdruck. Dass er es so weit gebracht hat, kommt allerdings nicht von ungefähr. Jahrelang ist er früh schlafen gegangen und hat auch einen Teil seiner Jugend geopfert. Alles nicht so schlimm, betont er. Das Meer ist sein Leben. „Und meine erste Liebe! Sobald ich im Wasser bin, fühle ich mich zuhause, egal, wo ich mich befinde.“ (...)

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Kai Lenny
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