Im land der Walrosse

Text
Claude Hervé-Bazin
Copyright
Franco Banfi
Erscheinungstermin
20.09.2017
Im land der Walrosse
Im land der Walrosse
Im land der Walrosse

Weniger als 1000 Kilometer südlich des Nordpols bilden die unberührten Berge des norwegischen Spitzbergen hinter Fjorden und monumentalen Eisbergen ein imposantes Bollwerk. Ein skurriles Tier hat diese karge und doch grandiose Umgebung zu seinem Wohnsitz erkoren. Obwohl ihm ein schlechter Charakter nachgesagt wird, hat sich Franco Banfi ganz nah herangewagt.

A Als das Flugzeug in Longyearbyen landet, macht sich ein komisches Gefühl breit. Das Ende der Welt ist ganz nah. Spitzbergen ist nach der kanadischen Insel Ellesmere das nördlichste bewohnte Land der Welt. Es liegt zwischen dem 74. und 81. Grad nördlicher Breite im eiskalten Wasser der Arktis.

Die frischen Temperaturen beim Aussteigen aus dem Flieger bestätigen die geografische Position. Mitte Juni schafft es das Thermometer unter dem verhangenen Himmel nicht höher als auf 6 Grad. Eingezwängt in einen Talkessel versucht das 2100-Seelen-Dorf die triste Stimmung mit bunt bemalten Gebäuden zu vertreiben. Nach Mitternacht, der Tag hält sich noch immer hartnäckig, steht plötzlich die Sonne am Himmel und reisst den dunklen Wolkenvorhang auf. Eine verkehrte Welt?

Kurs nach Norden
18. Juni. Als das Segelschiff mit Metallrumpf in See sticht, hat sich die Luft weiter abgekühlt. Vorbei an imposanten Bergen mit weiss gezuckerten Gipfeln durchquert es den Isfjord bis aufs offene Meer. Hinter der russischen Bergarbeitersiedlung Barentsburg nimmt der Wellengang zu, doch die Rettung ist nicht weit. Der Forlandsundet bietet im Schutz der langgestreckten Insel Prinz-Karl-Vorland einen willkommenen Unterschlupf.
19. Juni. Die morgendlichen Sonnenstrahlen lösen sich im aufziehenden Dunst des späten Nachmittags auf. In diesem Moment zeigt sich das erste Walross. Bald schon ist daraus eine ganze Gruppe geworden. Neugierig nähern sich die behäbigen Tiere dem Schlauchboot. Vor ein paar Jahren traf man sie nur im Nordosten des Archipels an.
20. Juni. Der Nebel ist dicker geworden. Mithilfe der Bordinstrumente findet das Schiff den Weg zur Wetterstation von Ny-Ålesund, wo sich auch die nördlichste Poststelle der Welt befindet. In der Ferne sind die Umrisse einiger scheuer Rentiere zu erkennen. Ein Polarfuchs taucht aus dem Nichts auf und klettert auf der Suche nach Eiern von Krabbentauchern und Lummen über die Felsen. Das Schiff hat Kurs nach Norden genommen, im Blickpunkt die nördliche Küste des Archipels und die „niedrige Insel“ Lågøya, wo die Walrosse beheimatet sind.(...)

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