Die Inneren Abenteuer
des Mike Horn
Nach seiner unglaublichen Antarktisdurchquerung im Alleingang hat sich der berühmte Extremsportler im Gespräch mit 30° erstmals zu seinen spirituellen Erfahrungen bei seinen Expeditionen geäussert. Er erklärt, warum ein rein körperliches Abenteuer für ihn keine Bedeutung hat.
Mike Horn muss man nicht mehr vorstellen. In seiner Wahlheimat Schweiz ist der gebürtige Südafrikaner seit 1990 ein Star. Zwei seiner Topleistungen der letzten Jahre haben in der Öffentlichkeit besonders grosse Resonanz ausgelöst: die Amazonas-Fahrt mit dem Hydrospeed (1997) und die Solo-Umrundung der Erde auf dem Polarkreis. Für viele verkörpert der Einwohner von Château d’Oex im Kanton Waadt die geballte Kraft des menschlichen Willens, die Berge versetzen kann. Trotzdem ist der unersättliche und hyperaktive Abenteurer alles andere als ein Hitzkopf. Der 50-Jährige lechzt nicht mehr nach sportlichen Grosstaten oder spektakulären Premieren. Viel wichtiger sind innere oder gar spirituelle Erlebnisse.
„Wenn man sich der Natur, der Einsamkeit und den eigenen körperlichen und mentalen Grenzen stellt, kommt man unweigerlich an einen Punkt, an dem man seine Art zu denken, Entscheidungen zu treffen oder mit Ängsten umzugehen überdenkt. Tief im Innern kommt einiges in Bewegung. Man fühlt sich lebendiger und wacher. Letztlich ist dieses innere Abenteuer das wirkliche Abenteuer.“
Nach unzähligen erfolglosen Versuchen haben wir Mike Horn im April endlich ans Telefon bekommen. Er stand gerade auf dem Gipfel des Mount Cook (3724 m), der höchsten Erhebung Neuseelands, als ihn unser Anruf erreichte. Die besonderen Umstände schienen ihn nicht zu stören. Er sprach lange mit uns über seine gerade erst zu Ende gegangene Antarktisdurchquerung (5100 km), die er im Alleingang in nur 57 Tagen bewältigt hatte. Diese sportliche Höchstleistung war Teil der im Mai 2016 gestarteten Expedition Pole2Pole. Sie besteht darin, in zwei Jahren über 27’000 Kilometer allein und ohne fremde Hilfe zu Fuss, auf Ski oder mit dem Segelschiff Pangaea vom Süd- zum Nordpol zu reisen.
Seine verstorbene Frau ist allgegenwärtig
Auf seiner Antarktisdurchquerung habe er neue innere Grenzen entdeckt, sagt er. Die Gedanken an seine Frau Cathy, die 2015 nach langer Krankheit starb, haben ihn ständig begleitet. „Sie war mein Anker. Ohne sie hätte ich all das, was ich gemacht habe, nie geschafft. Sie hat es mir ermöglicht, die Welt zu erforschen. Ich musste ihr dafür nur versprechen, dass ich lebend nach Hause komme. Als ich die Playlist hörte, die sie für mich vorbereitet hatte, mischte sich Freude mit grosser Traurigkeit. Pole2Pole war unser letztes grosses Projekt. Wir haben monatelang daran gearbeitet. Cathy war damals schon krank“, sagt Mike Horn rückblickend. „Nach ihrem Tod hatte ich keine Lust mehr auf Abenteuer. Sie waren unwichtig geworden. Ich wollte für meine beiden Töchter da sein.“
Allmählich hat sich der Abenteuerhunger aber wieder zurückgemeldet. Mike Horn fuhr mit seinen Töchtern Annika und Jessica mit einem 4 x 4 in die Region des K2 und erlebte dabei erneut das Gefühl, was es heisst, eine zusammengeschweisste Familie zu sein. Aus diesen Momenten schöpfte er auch die Kraft, nicht in die grösste Falle zu tappen, die darin besteht, „nach hinten zu schauen und einem Idealbild nachzutrauern, das es nicht mehr gibt.“ (...)
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