Die dunkle Seite

des weissen Meers

Text
Sabrina Belloni
Copyright
Franco Banfi
Erscheinungstermin
Juli 2018
Die dunkle Seite
Die dunkle Seite

Das weisse Meer ist eine riesige, zum Nordpolarmeer geöffnete Bucht, die weit ins gefrorene Land des hohen russischen Nordens vordringt. Im seltsam grün gefärbten Wasser unter der Oberfläche dieser unerbittlichen Welt hatten Franco Banfi und Sabrina Belloni eine unvergessliche Begegnung mit einem Weisswal, auch bekannt als Beluga.

Das Weisse Meer hat etwas Mysteriöses. Es grenzt im Nordwesten der Sowjetunion an die Republik Karelien und birgt noch immer viele Geheimnisse. Sowohl das raue Klima als auch das Diktat der Sowjetunion, das Ausländern den Zugang lange verwehrte, machten es zu einer Terra incognita. Entsprechend gross ist die Faszination für seine Unterwasserwelt. Um sie zu erkunden, werden in der Eistauchsaison von Februar bis April Löcher, sogenannte Maina, ins Eis gebohrt. Sie müssen wegen der tiefen Temperaturen bei jedem Tauchgang von neuem geschlagen werden.
Erste Station ist das in einer grossen Lichtung an der Kandalakscha-Bucht gelegene Dorf Nilmaguba. Um an den abgeschiedenen Ort zu gelangen, muss man die einzige asphaltierte, aber vereiste Strasse entlangfahren und danach auf einem unbefestigten Weg, vorbei an Seen und erstarrten Torfebenen, die schier endlose Taiga durchqueren. Nach kilometerlanger Einsamkeit erscheinen am Ufer des gefrorenen Meers wie aus dem Nichts ein paar Holzhütten. Ein dicker Schneemantel hüllt die Gegend in weisse Stille.
An diesem sonnigen Märztag liegen die Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt. Eine 1,5 Meter dicke Eisschicht schwimmt auf dem Weissen Meer. Sie hebt und senkt sich im Takt der Gezeiten und lässt sich von Meeresströmungen und kampfeslustigen Winden treiben. Wenn diese mit voller Kraft über die menschenleeren Ebenen peitschen, zeigt das Thermometer fast -30 Grad an. Die ständige Reibung formt die unter Wasser liegenden Blöcke und es entstehen wundersame, blasenartige Formationen. Sie reihen sich wie lichtdurchlässige Schwämme den Klippen entlang aneinander.

Geheimnisvolle Unterwasserwelt
Über der Wasseroberfläche strahlt das Eis schneeweiss. Darunter ist das Meer dunkel und geheimnisvoll. Wie Tore öffnen die Maina den Zugang zu dieser unbekannten Welt. Die in Zweiergruppen angeseilten Taucher lassen sich ins Ungewisse hinabgleiten und suchen in der Suppe aus Schnee und geschmolzenem Eis ihre Orientierung. Sie sind mit einem Tauchassistenten verbunden, der an der Oberfläche bleibt und über vereinbarte Seilsignale mit ihnen kommuniziert.(...)

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