Der neue Uhrentempel
von Swatch

Fast ein Jahrzehnt hat es gedauert, bis der neue Hauptsitz von Swatch in Biel Form angenommen hat. Das grandiose Bauwerk des japanischen Stararchitekten Shigeru Ban wird von einer 240 Meter langen, geschwungenen Holzkonstruktion getragen, die sich verspielt-spektakulär über die städtische Landschaft wölbt.
Das Vorhaben trägt pharaonische Züge. 2011 gewann der japanische Architekt Shigeru Ban den Architekturwettbewerb der Swatch Group für den Bau ihres neuen Hauptsitzes, der Omega-Manufaktur und der Cité du Temps. Das dreiteilige Vorhaben sollte zu einem neuen Meilenstein in der Markengeschichte werden.
Für diese kolossale Aufgabe stand ein ebenso kolossales Budget zur Verfügung. 125 Millionen Franken sollte allein der Hauptsitz kosten, für alle drei Gebäude zusammen wurden 220 Millionen veranschlagt. Shigeru Ban hatte sich mit seinen filigranen Papier- und Kartonkonstruktionen einen Namen gemacht, aber auch mit Notunterkünften für Katastrophenopfer. Mit dem Swatch-Projekt wagte er sich an eine Herausforderung in einem für ihn unbekannten Ausmass – «das Projekt meines Lebens», wie er es nannte. Im neuen Uhrentempel in Biel verbindet der Gewinner des Pritzker-Preises 2014 zwei scheinbar widersprüchliche Konzepte: Zweckmässigkeit und Originalität.
Schlangenähnlicher Bau
Mit Originalität spart das neue Hauptquartier von Swatch definitiv nicht. Es ist so beispiellos, dass es alle Blicke auf sich zieht. Mit seinen 240 Metern Länge bei nur gerade 35 Metern Breite bricht es mit den Konventionen klassischer Bürohaus-Architektur. Aus der Luft könnte man das schmale, geschwungene Konstrukt für eine sich am Boden windende Schlange oder ein riesiges Fragezeichen halten. Von vorne präsentiert es sich mit einer 27 Meter hohen verglasten Fassade, deren 11 000 Quadratmeter durch eine gewölbte Holzgitterstruktur geschützt werden. Sie bildet das Grundgerüst und überdeckt brustkorbähnlich den gesamten Bau. Und sie überspannt parallel zu einer ebenfalls gläsernen Fussgängerbrücke die Nicolas G. Hayek-Strasse bis zur Cité du Temps. Die Zickzackkonstruktion erinnert irgendwie an eine zeitgenössisch interpretierte Version der weichen Uhren von Dali. An der Decke verweisen einzelne Schweizerkreuze auf die Wurzeln von Swatch und verbessern dank ihrer feinen Perforierung gleichzeitig die Akustik in den Büros.
Besonders deutlich werden das Ausmass und der Einfallsreichtum der Konstruktion in der Lobby. Das Holzgitter sieht aus wie ein Reptil mit perfekt ineinandergefügten Schuppen oder wie ein Gefüge aus unzähligen Bienenwaben. Es wurde mit modernster 3D-Technologie gefertigt und garantiert einen optimalen und gleichzeitig steuerbaren Lichteinfall. In das Geflecht wurden drei Arten von Waben eingelassen: opake, transluzente und transparente. Die beiden letzteren dienen in erster Linie der Wärmedämmung, die opaken Elemente schützen vor Sonne und bilden das Gerüst für die 442 Solarelemente der 1770 Quadratmeter grossen Fotovoltaikanlage. Sie wurden nach Mass hergestellt, damit sie sich nahtlos in die Waben einfügen.
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