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Global Arctic Awards

Global Arctic Awards

Fotos, die aus der Kälte kamen
Text
Claude Hervé-Bazin
Copyright
Jesus M. Garcia
Erscheinungstermin
10.03.2017

Die Global Arctic Awards zelebrieren jedes Jahr die Schönheit der Polarregionen. An diesem grossen internationalen Fotowettbewerb werden in neun Kategorien die besten Aufnahmen von Schneelandschaften, Eisbären, antarktischen Naturphänomenen, Eisbergen und Bewohnern des Hohen Nordens ausgezeichnet.

Angefangen hat alles mit Sergei Anissimov. Er ist weder gelernter Fotograf noch Journalist, sondern Radioingenieur. 1984 musste er geschäftlich nach Salechard am Polarkreis. Die kleine Stadt am rechten Ob-Ufer, rund 2000 Kilometer nordöstlich von Moskau, war damals noch unbedeutend und zählte nur gerade 48’000 Einwohner.

Unter Stalin schleppten sich hier die Gefangenen auf dem Weg zu den Gulags von Workunta truppenweise vorwärts. Einige bauten zwischen Taiga, Tundra und Sümpfen eine absurde Eisenbahnlinie und bezahlten dafür mit ihrem Leben. Auf dem Tiefpunkt der Wirtschaftskrise in den 1990er-Jahren wurden die Schienen der 350 Kilometer langen Strecke zum Eisenpreis verhökert.

Heute befindet sich Salechard im Aufschwung. Die Stadt ist Hauptort des autonomen Kreises der Jamal-Nenzen (19-mal grösser als die Schweiz) und grösste russische Gasmetropole. Das Erdgas wird auf der riesigen Halbinsel Jamal gefördert, die eines der grössten Vorkommen der Welt birgt. Bewohnt wird Salechard von den Nenzen, einem samojedischen Nomadenvolk aus Schamanen und Rentierzüchtern. Die Begegnung mit diesen faszinierenden Menschen löste in Sergei den Wunsch aus, seine Erlebnisse mit einem Fotoapparat festzuhalten. Also besorgte er sich 2004 eine Digitalkamera. Es war die erste in der ganzen Region.

Im Bann des Hohen Nordens
Sergei entwickelte eine regelrechte Passion für seine fotografische Arbeit. Sie öffnete ihm die Augen für die unendlichen Weiten, die sich vor seiner Hochhaussiedlung erstreckten. Fasziniert betätigte er den Auslöser – immer und immer wieder. Seine erste Teilnahme an einem Fotowettbewerb war ein Reinfall. Er merkte, dass er noch einen langen Weg vor sich hatte. Mit eisernem Willen feilte er an seiner Technik. Er arbeitete wie ein Besessener, nahm es aber mit Humor. „Ich sagte meiner Frau, dass ich die Nacht bei meiner Geliebten verbringe und meiner Geliebten, dass ich bei meiner Frau übernachte, nur, um in Ruhe fotografieren zu können“, witzelt er.

2006 hatte Sergei das nötige Vertrauen gewonnen, um sein Glück erneut zu versuchen. Den Fotowettbewerb, an dem er teilnehmen wollte, gab es aber nicht mehr. Er trug es mit Fassung, schliesslich schlummert in jedem Russen ein Kämpfer gegen Windmühlen. Wenn er an keinem Wettbewerb teilnehmen konnte, dann stellte er eben aus... und gründete seinen eigenen Wettbewerb. So sind in einer obskuren Stadt im Nordwesten Sibiriens die Global Arctic Awards entstanden.

Die Global Arctic Awards heute
Mittlerweile ist Sergei ein anerkannter Fotograf. Kaum jemand kennt die Jamal-Halbinsel so gut wie er. Ein gutes Bild, sagt er, setzt viel Praxis, Talent und gutes Material voraus. Noch wichtiger sei aber, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein. Man muss viel reisen, unermüdlich das Land durchstreifen. Sergei war in Grönland, in Spitzbergen, Norwegen, Nordkanada und auf der Wrangelinsel im äussersten Norden Russlands. Die nördlichen Regionen verzaubern ihn noch heute.

Dass er damit nicht allein ist, zeigen die jedes Jahr zahlreicheren Einsendungen. Sie alle belegen die Schönheit und die Einzigartigkeit dieser extremen Landschaften. An den Global Arctic Awards haben 160 Fotografen aus 28 Ländern teilgenommen, darunter auch fünf Schweizer, Alessandra Meniconzi als ständiges Jurymitglied nicht eingerechnet. „Dieses Jahr überragt ein Fotograf alle anderen“, sagt Sergei. „Der Norweger Audun Rikardsen hat uns komplett überzeugt.“ Rikardsen ist Biologieprofessor an der Universität Tromsø und Spezialist für Unterwasserfotos, die in diesen Breitengraden extrem schwierig aufzunehmen sind. Er hat schon mehrmals an den Awards teilgenommen, aber noch nie waren seine Bilder technisch so perfekt und eindrücklich.

Sie werden neben den anderen prämierten Bildern an einer grossen Wanderausstellung gezeigt. Diese startet am 18. Februar im Rahmen des Festivals Art Arctic in Salechard und geht dann in Russland auf Tournee. Nächstes Jahr soll zudem ein Bildband erscheinen, in dem die besten Aufnahmen der letzten fünf Global Arctic Awards enthalten sind.

www.arcticawards.ru